Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt: Nur gemeinsam geht es vorwärts

Bildquelle: Angela Merten, Sport in Augsburg

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Klimaneutrale Mobilität, zukunftsorientierte Energiekonzepte und nachhaltige Alternativen rücken immer mehr in den Fokus. Wichtig also, dass sich auch Entscheider:innen und Expert:innen vor Ort mit der Thematik auseinandersetzen. Beim Round Table der Themenwoche „Nachhaltigkeit & Umwelt“ bei Hörmann Solartechnik in Zusmarshausen gab es dafür Gelegenheit.

Befragt man offizielle Stellen, dann ist die Antwort auf die Klimafrage klar gegeben, denn laut Umweltbundesamt soll Deutschland bis zum Jahr 2045 komplett treibhausgasneutral sein. Der Freistaat Bayern strebt die ­Klimaneutralität bereits bis 2040 an. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, braucht es die Unterstützung aus der Wirtschaft und der Bevölkerung. Doch wie genau können die Lösungen für die aktuellen Probleme aussehen? Um diese und weitere Fragen zu diskutieren und sich auszutauschen, trafen sich Expert:innen beim Round Table im Rahmen der Themenwoche „Nachhaltigkeit & Umwelt“ der Augsburger Allgemeinen und ihrer Heimatzeitungen. Die Teilnehmer:innen kamen in Zusmarshausen in den neuen Räumlichkeiten von Hörmann Solartechnik zusammen, um gemeinsam mit Moderatorin Lisa Graf nachhaltige Lösungswege in der Region Bayerisch-Schwaben zu diskutieren. Schon zu Anfang stellte sich dabei die Frage, wie die Anwesenden den Begriff Nachhaltigkeit für sich und ihre Unternehmen eigentlich definieren.

So definieren die Teilnehmer:innen des Round Table den Begriff Nachhaltigkeit

Bereits dabei zeigte sich, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ keine eindeutige Definition besitzt, die auf alle Diskutierenden zutraf. Für die Stadtwerke Augsburg ist das Thema beispielsweise auf mehreren Säulen aufgebaut. „Die Stadtwerke sind in Bürgerhand, ­daher sind wir genau von dem dominiert, was die Bürger:innen wollen“, erläutert Florian Samweber von den swa. Als Leiter der Stabsstelle Innovation verbindet er die unterschiedlichen Abteilungen miteinander und hat den Einblick in die verschiedenen Projekte. Große Themen für ein nachhaltiges Augsburg sind bei den swa etwa der Ausbau des Fernwärmenetzes und der öffentliche Nahverkehr.

Ein prominentes Gesicht, das auch mit den swa gemeinsam daran arbeitet, ist der FC Augsburg. Alexander Del Sorbo ist einer der Nachhaltigkeitsmanager und versteht seinen Verein als Brückenbauer für gesellschaftliche Wirkungen. „Mit der begeisternden und verbindenden Kraft des Fußballs haben wir eine authentische Vorbildrolle, um die Menschen über passende Ansätze mitzunehmen“, fasst er zusammen. Gerade in seiner Branche sieht er auch den Willen, dass das Thema stärker verfolgt wird. Inzwischen sind die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga dazu verpflichtet, sich im Lizensierungsprozess für die neue Saison mit dem Thema auseinanderzusetzen. „So groß die Konkurrenz auf dem Platz ist, beim Thema Nachhaltigkeit ist das nicht gegeben“, erläutert er weiter. „Vom Fuß- zum Handabdruck – mit dieser Überzeugung stehen wir für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung ein. Wir müssen glaubhaft über unser Engagement sprechen, aber auch handeln.“

Es kommt auf die Details an

Gerade in der privaten Wirtschaft stehen die ­Unternehmen vielfach vor den Problemen der Umsetzbarkeit. Hörmann Solartechnik setzt als ­Familienbetrieb seit 25 Jahren die nachhaltigen Energiekonzepte seiner Kund:innen um. Unter anderem stammt die erste solare E-Tankstelle aus dem Unternehmen. Für Geschäftsführer ­Markus Hörmann geht es bei Nachhaltigkeit in der Region aber nicht nur um Aspekte wie Photovoltaikanlagen oder Energiespeicherung. Für ihn war ein einschneidendes Erlebnis im eigenen Unternehmen, als er seine Mitarbeiter:innen für das Thema Mülltrennung sensibilisiert hat. „Es war schwierig, das Thema an die Kolleg:innen heranzutragen. Wir haben viel Kartonage und es hat gut ein halbes Jahr gebraucht, bis hier eine Sensibilisierung stattgefunden hat.“ Gerade solche kleinen Dinge kommen in der Industrie oft zu kurz. Zudem hat er für die Pendler:innen aus Augsburg ein elektrisches Firmenfahrzeug angeschafft, damit diese eine Fahrgemeinschaft bilden können und nicht mit drei Autos einzeln zum Standort in Zusmarshausen fahren. „Für mich als Unternehmer ist ­diese Anschaffung auf der einen Seite unwirtschaftlich. Aber es gehört eben auch oder trotzdem zur Nachhaltigkeit dazu.“

Eine Frage des Geldes?

Diesem Punkt schließt sich auch Peter Schöffel, geschäftsführender Gesellschafter des Bekleidungsherstellers Schöffel, an. Seit über zehn Jahren setzt das Unternehmen auf eine ­Nachhaltigkeitsstrategie bei seinen Produkten. Für den Familienunternehmer in siebter Generation ist wichtig zu betonen, dass die Umsetzung einer solchen Strategie auch mit finanziellem Aufwand einhergeht – die Nachhaltigkeit gibt es nicht zum Nulltarif. Dabei führt er ein Beispiel aus seinem eigenen Arbeitsalltag an, das er aus der Herstellung von Sportkleidung kennt. „Wenn ich einen recycelten Stoff für ein ­Produkt suche, dann verbessert es auf der einen Seite meine Bilanz, schränkt mich aber in der Farbauswahl ein. Bestimmte Muster sind dann von vornherein nicht verfügbar oder haben lange Lieferzeiten. Und am Ende ist es auch eine Frage des Preises, denn niemand zahlt einfach 150 Euro für eine Fleecejacke“, bringt er es auf den Punkt.

Dass die Finanzierung von nachhaltigen Alternativen ein wichtiger Aspekt und gleichzeitig auch ein Problem ist, merkt auch Niko Mack. Der ­Geschäftsführer des Solarunternehmens actensys GmbH aus Ellzee sieht in seiner Branche den Preisdruck, der den Wandel erschwert. „Ohne Asien und China geht es bei uns im Moment nicht, weil am Ende immer der Geldbeutel spricht“, bringt er in die Runde. Zudem sei er in der Solarbranche darauf ­angewiesen, denn innerhalb Deutschlands gebe es bisher keine echte Konkurrenz im Bereich der Hersteller:innen einiger Hauptkomponenten. „Ich kann den Leuten erklären, warum ein deutsches Produkt zum Beispiel teurer ist. Wenn sie das dann akzeptieren, dann habe ich jedoch das Problem: Wie bekomme ich die Sachen pünktlich auf den Hof?“

Eine weitere Hürde sieht Markus Hörmann auch im Bereich Fachkräftemangel. „Wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen, dann müsste ich gerade das Zehnfache an Arbeit leisten. Das stellt mich dann aber vor das Problem: Wie bekomme ich die Fachkräfte, die die Anlagen etwa montieren oder verkabeln?“

Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt sieht Zusammenarbeit für mehr Ergebnisse notwendig

Dennoch ist sich die Runde einig, dass Nachhaltigkeit ein Thema ist, an das alle hin müssen, auch wenn es finanziell wehtun wird. Die Regio ­Augsburg Wirtschaft GmbH sieht sich in diesem Prozess als übergreifende Schnittstelle, um den ­Unternehmen in der Region bei der Transformation zu helfen. „Die Nachhaltigkeit ist derzeit unser größtes Wachstumsthema bei der Regio Wirtschaft, denn in Zukunft wird sie kein ‚Nice to have‘ mehr sein, sondern auf alle Unternehmen zukommen“, betont Stefanie Haug. Sie betreut den ­Bereich Nachhaltiges Wirtschaften und leitet die „Green Economy“-Projekte der Förderung in der Region.

Wie der Stand hier gerade ist und was die Unternehmen in der Region bereits für ein nachhaltiges Wirtschaften tun, das wird derzeit mit einem Nachhaltigkeitsmonitor gemeinsam mit der Technischen Hochschule Augsburg untersucht. Prof. Dr. Nadine Warkotsch ist Vizepräsidentin für Forschung und Nachhaltigkeit und ­zuständig für das Thema. Sie hat dabei eine Herzensangelegenheit, nach der sich inzwischen auch die gesamte Hochschule ausrichtet. „Wir haben uns vorgenommen, dass uns kein:e Student:in verlässt, ohne die Nachhaltigkeitsthematik zu kennen“, betont sie während des Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt.

Gerade bei traditionellen Werken wie Druckerzeugnissen tut sich inzwischen einiges – auch wenn das oft noch abseits des öffentlichen Blicks ­geschieht. Udo Eitzenberger ist Geschäftsführer bei deVega Medien in Augsburg. Er betont, dass die Druckbranche an sich den nachhaltigen Rohstoff Papier verarbeitet und dass immer mehr Druckbetriebe ihre unternehmens- und produktbezogenen Emissionen und Auswirkungen auf die Umwelt sehr genau im Blick haben. Zudem liegt die Recyclingquote von Papier bei fast 80 Prozent. Bei deVega setze man alles daran, individuelle Druckprodukte umweltfreundlich herzustellen. In der Zukunft möchte man durch digitale technische Verfahren den Materialaufwand nochmal deutlich reduzieren, erklärt Eitzenberger. Seit zwei Jahren sei bereits ein neues naturbelassenes Farbsystem ohne Schadstoffe und Geruchsentwicklung im Einsatz.

Der Start muss „von oben“ kommen

Damit die Region Augsburg und auch Deutschland nachhaltig werden kann, braucht es laut den Teilnehmer:innen des Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt deutlich mehr Impulse der Politik. Gerade schnelle Entscheidungen, die vielleicht sogar unklar sind, haben in der Wirtschaft Auswirkungen. „Wenn in Berlin ­gehustet wird, dann haben wir Handwerker:innen am unteren Teil der Kette eine schwere Grippe“, ­erläutert Markus Hörmann. Daher ist Planbarkeit ein wichtiger Aspekt, den auch Niko Mack von ­actensys in der Politik derzeit kritisch sieht: „Das Thema Nachhaltigkeit muss langfristig betrachtet werden und nicht von Wahlperiode zu Wahlperiode. Damit kämpfen wir in der Solarbranche bereits seit Jahren.“

Dem Punkt schließen sich auch die Stadtwerke Augsburg an, wie Samweber beispielhaft am Deutschlandticket erörtert: „Als das Ticket kam, war jede:r total glücklich, aber es fehlt eine langfristige Planbarkeit dahinter. Inzwischen wird schon wieder um das ­Ticket diskutiert. Mobilitätsgewohnheiten ändern sich nur langsam. Und wenn man im Bereich ÖPNV nicht weiß, ob ein Angebot noch lange verfügbar ist, sagen viele: ‚Warten wir erst einmal ab.‘ Das Gleiche gilt auch beim ­Thema Wärme.“ Peter Schöffel betont zudem, dass es ein „weiter so“ mit Blick auf die aktuelle Lage nicht geben kann. „Wir müssen da durch“, sagt er mit Nachdruck. „Man muss realisieren, dass der Schritt wehtut und uns Wohlstand kosten wird. Aber der Zeigefinger ist dabei falsch, wir müssen an anderen Schrauben drehen, damit die Transformation funktioniert.“

Nachhaltigkeit und Wirtschaft müssen in Einklang kommen

Dem schließt sich Stefanie Haug an. Gerade im Unternehmenskontext braucht es einen gemeinsamen Fahrplan und Teams, die miteinander an Ideen arbeiten. „Nachhaltigkeit ist immer ein persönliches Thema, es betrifft die Menschen auch privat“, ­betont sie. Gerade deswegen sollten Lösungen aus eigenem Antrieb gefördert und von Unternehmen belohnt werden. „Firmen sollten sich bei ihrem aktuellen Nachhaltigkeitsstand immer fragen: Kann ich in zehn Jahren noch genauso wirtschaften wie heute?“ Prof. Dr. Warkotsch betont bei diesem Punkt zudem, die Ideenkraft der jungen Generation nicht zu vernachlässigen. „Wir unterschätzen die Leute. Ich merke das an der Technischen Hochschule: Die Menschen sind wissbegierig in puncto Nachhaltigkeit. Unseren Studiengang für Bauinge­nieur:in­nen haben wir umstrukturiert, damit sich die Studierenden stärker mit dem Thema Recycling auseinandersetzen. Und 2024 starten wir mit dem neuen Masterstudiengang Nachhaltigkeitsmanagement.“

Auch der Beruf von Nachhaltigkeitsmana­ger:innen wird in Zukunft noch stärker in den Fokus rücken. Hier sieht Eitzenberger aber derzeit noch Nachholbedarf: „Ich habe bisher noch keine:n gefunden, selbst die Kammern, die ich abtelefoniert hatte, konnten mir da nicht weiterhelfen.“ Auch Del Sorbo ist überzeugt, dass gerade die Zusammenarbeit mit der jüngeren Generation beim Thema Nachhaltigkeit Früchte trägt. Ihm ist dabei wichtig, dass das Thema nicht nur in den Schulen, sondern authentisch an passenden Orten gelehrt wird. „Wir verlegen Schulworkshops an einen besonderen Lernort: das Fußballstadion. An diesem Beispiel und im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung schlagen wir eine Brücke und bringen die jungen Menschen ins Reflektieren eigener Handlungen.“

Das Fazit des Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt

Trotz des ein oder anderen Stolpersteins, der in der Praxis gelegt wird: Am Ende der Veranstaltung fällt das Resümee positiv aus. Denn alle Teilnehmer:innen sind sich einig: Es tut sich was in der Region. Neben einer klaren Richtung, die ­seitens politischer Entscheidungsträger:innen langfristig vorgegeben werden sollte, braucht es auch trotz allem noch mehr Anreize und dadurch eine gesteigerte Beteiligung der Bürger:innen. Denn nur wenn alle abgeholt und den Zugang zu Bildung in diesem Bereich haben, kann die Region Augsburg wirklich nachhaltig werden.

Im Rahmen des Round Table Nachhaltigkeit & Umwelt hatten die Teilnehmer:innen Gelegenheit zum Austausch bei Hörmann Solartechnik in Zusmarshausen.

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