Round Table: Nachhaltigkeit muss im Unternehmen gelebt werden

Bildquelle: Bernd Jaufmann

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Immer mehr erneuerbare Energien nutzen, allgemein weniger Energie verbrauchen und diese Dinge dann auch nachweisen. Auf die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben kommen in Sachen Nachhaltigkeit Herausforderungen, aber auch Chancen zu. Darüber haben sich Expert:innen beim Round Table der Themenwoche „Nachhaltigkeit & Umwelt“ bei der actensys GmbH in Ellzee ausgetauscht.

Im vergangenen Jahr hat Deutschland rund zehn Prozent weniger CO₂ ausgestoßen als noch 2022. Das ist der stärkste Rückgang seit 1990 und lässt hoffen, dass Deutschland sein Klimaziel bis 2030 doch noch erreicht. Bis dahin sollen 65 Prozent weniger CO₂ ausgestoßen werden – in Bereichen wie Verkehr, aber auch bei Energiewirtschaft und Industrie. Wie können also kleine und mittlere Unternehmen in Bayerisch-Schwaben einen Beitrag leisten und das Thema Nachhaltigkeit anpacken? Und was ist mit dieser „Nachhaltigkeit“ eigentlich gemeint? Fragen wie diese haben Expert:innen beim Round Table der Themenwoche „Nachhaltigkeit und Umwelt“ der Augsburger Allgemeinen und ihrer Heimatzeitungen diskutiert. Zusammengekommen sind sie dafür bei der actensys GmbH in Ellzee, moderiert hat Lisa Graf von der VMM Medienagentur.

Nachhaltigkeit: mehr als Umwelt und Klima

Für viele der Expert:innen beschränkte sich der Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht auf Umwelt und Klimaschutz. Annabell Hummel-Wiest leitet das Geschäftsfeld Nachhaltige Wirtschaft von der Regio Augsburg Wirtschaft. Sie versteht unter Nachhaltigkeit auch den Transfer von Wissen und die Sicherung von Fachkräften. „Unsere Aufgabe ist, zu informieren, zu sensibilisieren und am Ende einen bunten Strauß an Empfehlungen zu geben, um nachhaltig zu wirtschaften“, erklärte Annabell Hummel-Wiest. Matthias Schmid, Gesamtleiter Werbevermarktung und Mitglied der Geschäftsleitung der Augsburger Allgemeinen, verbindet Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit: „Um zukunftssicher wirtschaften zu können, ist Nachhaltigkeit ein zentraler Punkt geworden. Die bayerisch-schwäbischen Unternehmen sind mit ihrer Wirtschafts- und Innovationskraft stark genug, sich bei diesem Thema gut aufzustellen und damit auch weiterhin für den Wohlstand in der Region zu sorgen.“

Der Geschäftsführer der RenerVest GmbH, ­Mathias Mader, sieht das ähnlich. Neben der Umwelt und der Natur müsse auch mit einbezogen werden, wie ein Unternehmen wirtschaftlich nachhaltig sein kann. „Man muss immer schauen, wie man sich möglichst breit aufstellen kann, um sich in Bayerisch-Schwaben und ganz Deutschland gut zu entwickeln“, sagte er.

Wie viel Nachhaltigkeit verträgt die Wirtschaft?

Die Frage der Wirtschaftlichkeit spielte für die Expert:innen – vor allem in Bezug auf mittelständische Unternehmen – eine große Rolle. Denn auf der einen Seite wird Nachhaltigkeit gesetzlich eingefordert. Auf der anderen Seite wird aus Sicht von Niko Mack, Geschäftsführer der actensys GmbH, Nachhaltigkeit auf dem Markt oft nicht ausreichend wertgeschätzt. „In einer Studie habe ich kürzlich gelesen, dass 90 Prozent der Kunden Wert auf Bioprodukte legen und das vorangetrieben werden müsse.“ An der Supermarktkasse sehe es laut der Studie dann aber anders aus. „Bei Privatleuten und bei Unternehmern spricht am Ende des Monats der Geldbeutel. Das ist eine schwierige Grätsche“ sagte Niko Mack.

Das merkt auch Marcus Hartmann, Inhaber der Ölmühle Hartmann aus Biburg. Die ­Ölmühle stellt regionale Speiseöle her. „Bei Verhandlungen mit Lieferanten oder Einkäufern geht es um jeden Cent und fast nirgends ist ‚Nachhaltigkeit‘ ein Argument bei der Preisgestaltung.“ Deshalb versuche die Ölmühle Hartmann immer mehr mit den Endverbrauchern in Kontakt zu treten, um deren Wünsche und Vorstellungen noch besser zu verstehen.

Mathias Mader betonte, dass Unternehmen im Mittelstand neben der Nachhaltigkeit mit vielen weiteren wichtigen Themen wie Cyber Security und Digitalisierung konfrontiert sind. Vor allem mit Blick auf die wirtschaftlich angespannte Lage könnten Unternehmen nicht alle nötigen Investitionen tätigen: „Da stellt sich oft die Frage: Was bringt mich wirtschaftlich weiter? Der Solarpark oder eine neue Maschine, die ich für meinen Betrieb brauche?“

Nachhaltigkeit als Chance

Die Frage, wie viel Nachhaltigkeit sich ein Unternehmen leisten kann, warf auch Matthias Schmid auf: „Investitionen in Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind zwar kostenintensiv, bieten aber enorme Chancen für Unternehmen. Insbesondere regionale Banken und Sparkassen unterstützen mit verschiedenen Finanzierungsprogrammen, was den Zugang zu diesen Investitionen erleichtert. Für die Unternehmen kann dies eine große Herausforderung sein und gleichzeitig auch eine Möglichkeit, sich zukunftssicher aufzustellen.“ Am Ende läuft es für die Teilnehmer:innen auf eine Frage hinaus: „Wie viel Nachhaltigkeit kannst du dir als Unternehmen leisten?“ Annabell Hummel-Wiest betonte hierbei aber auch viele Chancen, wenn sich Unternehmen mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen. „Im besten Fall sparen wir ja zum Beispiel beim Thema Energie wieder. Man muss immer investieren, um am Ende etwas zu sparen.“

Gesetze: Antreiber oder Hemmnis für die Nachhaltigkeit?

Niko Mack sieht, dass vor allem kleinere Familienunternehmen oft aus idealistischen Gründen nachhaltig werden wollen. actensys entwickelt und baut Solaranlagen verschiedenster Größen – von der Garage bis zu Solarparks. Bei größeren Unternehmen steht laut Niko Mack dagegen oft mehr die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. „Viele haben das Thema Nachhaltigkeit noch nicht auf dem Schirm. Viele Dinge werden nebenbei angefangen und aufgedeckt“, erläuterte er. Diese Erfahrung macht auch Annabell Hummel-Wiest in ihrer täglichen Arbeit. Zwar sei die Region Bayerisch-Schwaben in Sachen Nachhaltigkeit bei den Unternehmen auf einem guten Weg. Dennoch gebe es viele, die sich beispielsweise noch nicht mit den Nachhaltigkeitsberichten beschäftigt haben, die ab 2025 für weitere Unternehmen zur Pflicht werden. „Ich fürchte, dass diese gesetzlichen Vorgaben dazu führen, dass gewisse Unternehmen, die hier nicht mitziehen, bald einen Nachteil gegenüber den Konkurrenten haben.“

Marcus Hartmann, der 1988 seine Ölmühle gegründet hat, beschäftigt sich schon immer mit Nachhaltigkeit. „Als Landwirt wurde es mir in die Wiege gelegt, nachhaltig mit der Umwelt und der Natur umzugehen.“ Marcus Hartmann war damals wie heute sehr von Idealismus getrieben. Er produziert seine Speiseöle regional, auch die Saaten werden im Umkreis von 20 Kilometern um die Mühle angebaut. „Nachhaltigkeit muss als Herzensangelegenheit gesehen werden, nicht als gesetzlich ­auferlegte Last.“ Gleichzeitig merke er, dass er trotz seines Idealismus in Sachen Nachhaltigkeit an be­­stimmte Grenzen kommt. „Mit unseren 27 Mitarbeitenden sind die Prozesse, die zur Einhaltung der zahlreichen gesetzlichen Auflagen und bürokratischen Prozesse gehören, durchaus überfordernd“, führte er aus. Für Mathias Mader braucht es trotz der hinderlichen Bürokratie Gesetze, die zur Nachhaltigkeit verpflichten. „Das ist ein natürlicher Treiber. Wenn etwas nicht weh tut, ist man nicht bereit zur Veränderung.“

Anfangen und Strukturen schaffen

Wie können Unternehmen in der Region also mit „Nachhaltigkeit“ starten? „Das Zauberwort ist: Anfangen“, empfahl Annabell Hummel-Wiest. „Mit kleinen Schritten kann man sich einem so großen Thema definitiv annähern.“ So könne man damit starten, die Mitarbeitenden zu befragen, was sie brauchen, um im Unternehmen Nachhaltigkeit aktiv mitzugestalten. Darüber hinaus ist es laut ­Annabell Hummel-Wiest wichtig, zu sortieren, in welchen Bereichen das Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist, nachhaltig zu sein. Dann sollte man sich damit auseinandersetzen, wofür das Unternehmen einsteht und was es authentisch umsetzen möchte. „Nur diese Eigendynamik sorgt dafür, dass Bürger:innen oder Verbraucher:innen meine Bemühungen auch wahrnehmen, mit uns umsetzen oder letztlich bezahlen.“

Für Matthias Schmid ist der erste Schritt in Sachen Nachhaltigkeit, eine zentrale, verantwortliche Stelle zu schaffen. „Wenn das Kernteam steht, gilt es eine Bestandsaufnahme zu machen, Ziele zu setzen, eine Strategie abzuleiten und Maßnahmen umzusetzen. Wichtig ist hierbei, die Mitarbeiter:innen einzubeziehen und regelmäßig zu informieren. Nur so nimmt man bei diesem wichtigen Thema alle mit“, erläuterte er. Er warb für das Bewusstsein, dass die Unternehmen mit unterschiedlichen Voraussetzungen starten. „Wir haben in der Region ressourcen- und energieintensive Industrieunternehmen, Bauunternehmen, Handels- und Dienstleistungsunternehmen – jedes Unternehmen muss bei der Nachhaltigkeit seinen eigenen Fahrplan entwickeln und dann umsetzen.“

Mathias Mader war es wichtig, dass Unternehmen Strukturen schaffen, um flexibler zu werden. „Politische Entscheidungen, Krisen und geopolitische Verwerfungen treten immer unkontrollierter ein. Wir müssen schneller reagieren können auf den sich ständig und schneller verändernden Markt.“ Allgemein sei aber die Bürokratie in Deutschland ein Hindernis, etwa wenn ein Unternehmen zwei Jahre oder länger auf eine Baugenehmigung warten muss.

Netzwerken statt Einzelkämpfer

Aus Sicht von Marcus Hartmann sind Netzwerke und der Austausch mit anderen Betrieben enorm wichtig, um als Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. Durch Zusammenarbeit könnten die Nachhaltigkeitsbemühungen leichter ­werden. „Wir haben viele Kooperationen und Partnerschaften mit Landwirten aus unserer Region oder in unmittelbarer Nähe, von der alle profitieren. Angesichts der wirtschaftlich angespannten Lage ist das für mich eine Win-win-Situation“, sagte Marcus Hartmann. Gleichzeitig sei der Austausch aber gerade in der Landwirtschaft etwas erschwert. „Vielleicht hat es geografische Gründe oder weil eine Hemmschwelle bei der Kommunikation existiert. Es gibt auch viel Konkurrenzdenken. Die Not macht aber erfinderisch und man muss sich öffnen, über den eigenen Schatten springen.“

Diese Erfahrung kennt auch Niko Mack. „Der Schwabe gibt selten preis, wenn er etwas gut macht. Es gibt Hemmnisse, auf Mitbewerber zuzugehen.“ Auf Veranstaltungen müsse das Eis gebrochen werden, sich über die Arbeit und die eigenen Erfahrungen auszutauschen, ohne Geheimnisse zu verraten. Langfristig werde man nicht ums Netzwerken herum kommen. Mathias Mader wünschte sich mehr interdisziplinären Austausch, zum Beispiel über Impulsvorträge. Innerhalb der eigenen Branche würde RenerVest schon viel netzwerken. „Ich will Leute aus branchenfremden Unternehmen treffen, um mich auszutauschen, wie dort manche Themen angegangen werden“, beschrieb er.

Nachhaltigkeit muss zur Firmenkultur werden

Bei einem Punkt waren sich alle Expert:innen einig: Es reicht nicht aus, eine:n Mitarbeiter:in mit dem Thema Nachhaltigkeit zu betrauen. Es muss Firmenkultur werden. Mathias Mader würde ­Nachhaltigkeit in die DNA des Unternehmens integrieren. Annabell Hummel-Wiest betonte die Verantwortung von Führungskräften: „Nachhaltigkeitsbemühungen müssen in der Führungsriege verankert sein und bis nach unten durch gelebt werden. Nur so können die Maßnahmen auch effektiv umgesetzt werden!“

Für Niko Mack ist es wichtig, bei den Mitarbeitenden das Feuer für Nachhaltigkeit zu entfachen. Außerdem müsse das Interesse an Nachhaltigkeit und Umwelt schon bei Kindern geweckt werden. Allgemein komme es darauf an, „Nachhaltigkeit“ sauber einzuordnen. „Das Wort hat bei vielen einen faden Beigeschmack, obwohl es das gar nicht haben müsste.“ Denn viele schwäbische Kleinunternehmer oder Familienbetriebe würden schon immer nachhaltig arbeiten. Das müsse man ihnen ins Bewusstsein bringen. Er schlug ein Weiterdenken des Begriffs „Nachhaltigkeit“ vor: „Vielleicht muss man einfach ein anderes Wort dafür finden. Ohne diesen faden Beigeschmack. Nachhaltigkeit heißt für viele: Es kostet Geld. Aber das muss nicht so sein.“

Im Video kommen die Teilnehmer:innen des Round Tables noch einmal selbst zu Wort:

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